Gottesliebe
Alles Böse und Schlechte, was auf dieser Welt geschieht (sofern wir noch aus der Dualität heraus bewerten und beurteilen), entsteht allein aus der Abwesenheit von Liebe. Deshalb sollte es unser höchstes Ziel sein, die Liebe in unserem Leben zu mehren. Da wir schwache Menschen zu sein scheinen, verknüpfen wir unsere Liebe häufig mit Erwartungen und erstellen sogar Anforderungsprofile, wie sich der von uns geliebte Mensch im Gegenzug für unsere Liebe zu verhalten habe. Werden unsere Erwartungen nicht erfüllt, so sind wir ent-täuscht, d.h. unsere Täuschungen werden aufgedeckt. Das ist schmerzhaft. Insofern empfinden wir Liebe sehr oft als schwierig, problematisch und teilweise eben auch schmerzhaft, weil wir nicht bedingungslos lieben können.
Das menschliche Herz ist erfüllt vom Verlangen, zu lieben und geliebt zu werden, die Zuneigung des Vaters, der Mutter, des Freundes oder des Lebensgefährten zu erlangen. Vielen von uns ist jedoch nicht klar, daß dieses Verlangen eigentlich nur der in ein anderes Kleid gehüllte Ausdruck unseres Verlangen nach Gott ist. In letzter Konsequenz fühlen wir uns in unseren menschlichen Beziehungen immer frustriert und allein, denn die Liebe, die wir auf der menschlichen Ebene erfahren, ist nur ein unzureichender Abglanz der wahren Liebe – diese wahre, bedingungslose Liebe gibt es nur bei Gott. Die Liebe Gottes zieht uns alle an, doch wir deuten sie falsch. Sie richtig zu deuten und Erfüllung in dem Verlangen nach Liebe zu finden, können wir nur erreichen, wenn wir unsere Liebe auf Gott richten, der die Liebe selbst ist.
Hier gibt uns Jesus einen eindringlichen Hinweis, wie wichtig die Gottesliebe für unser Leben ist, als ein Schriftgelehrter ihn herausfordern wollte und fragte: „Meister, welches ist das vornehmste Gebot im Gesetz?“ Jesus aber sprach zu ihm: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das vornehmste und größte Gebot.“ (Mat 22,36-38)
Aber wie gelingt es mir, in diese Gottesliebe „einzusteigen“?
Jede Liebe will ausgedrückt werden, denn nur ausgedrückte Liebe macht Sinn. Drücke also Deine Liebe zu Gott aus. Das kannst Du auf verschiedenste Weise tun: Du kannst mit IHM reden und IHM sagen, daß Du IHN liebst (der Hausaltar ist hierfür der geeignete Platz!). Du kannst für IHN singen und tanzen und Deine Freude und Liebe so zeigen. Und natürlich freut sich Gott über Deine Gaben, wenn Du IHN lobpreist im Gebet, IHM Deine Dankbarkeit zeigst, Blumen kaufst und mit dem Duft von Räucherstäbchen erfreust. Jede Liebe will ausgedrückt und gepflegt werden.
Jeder, der nach Vereinigung mit Gott strebt, muss wissen, daß alle bestehenden religiösen Bekenntnisse ein und derselben Realität – Gott – huldigen. Gott hat unendlich viele Aspekte und Ausdrucksformen. Er kann sich uns persönlich oder unpersönlich, gestalthaft oder gestaltlos offenbaren. Wenn wir uns ein Ideal, eine göttliche Inkarnation, zum Zentrum unserer Hingabe wählen, und sie dann als eins mit dem innewohnenden Selbst und der transzendenten Realität annehmen, kommen wir leichter in die Versenkung und tiefe Gottesliebe. Deshalb verehren die Menschen auch Inkarnationen wie Buddha, Jesus, Sri Krishna, Sri Shirdi Sai Baba, Ahura Mazda und andere. Als ebenso hilfreich sei hier noch die Hinwendung an sogenannte Heilige, im Buddhismus `Bodhisattvas´ genannt, und Erleuchtete erwähnt, die als Helfer und Brückenbauer zum Göttlichen dienen.
Wir kennen in unserer christlichen Tradition die Marienverehrung, welche in Fernost der Guan Yin als Bild entspricht (Mutter der Güte und Barmherzigkeit). Weiterhin können auch Engel und Erzengel Helfer auf dem Weg zur Gottesliebe sein. Nehmen wir unsere Zuflucht zu einem solchen Lehrer und Meister, so nehmen wir unsere Zuflucht zu Gott selbst und richten unser Leben auf ihn aus. Die Gnade Gottes ruht bereits auf uns; damit wir jedoch diese Gnade erkennen können, muß zuvor das Herz geläutert sein. Und zur Reinigung des Herzens gelangen wir durch die regelmäßige Verrichtung spiritueller Übungen.
In einer Vedanta-Schrift (uraltes indisches Wissen) lesen wir: „Durch das Sammeln reiner Speisen wird das Herz gereinigt.“ Unter „Speisen“ sind hier alle Eindrücke zu verstehen, die durch die fünf Sinne aufgenommen werden. Das Geheimnis dieser spirituellen Übung liegt also darin, alles mit der Gegenwart Gottes zu überdecken. Für unsere Übungen sollten wir uns feste Zeiten nehmen (Hausaltar!), die ausschließlich dem Gebet und der Kommunikation mit Gott vorbehalten sind. Durch ständige Verrichtung dieser Übungen erwächst im Herzen des Suchenden eine starke Rückbindung (lat. re-ligio) an Gott. Der Gedanke an seinen vielgeliebten Herrn ist immer in seinem Bewußtsein. Jegliches Verlangen weicht von ihm, und nur ein Wunsch bleibt: Gott zu lieben und in totaler Selbsthingabe nach seinem Willen zu leben. Auf diese reine und selbstlose Hingabe folgt die Versenkung in Gott und schließlich unser Einswerden mit ihm. Liebe, Liebender und Geliebter werden eins.
Diese Hingabe an Gott benötigt neben Geduld und Ausdauer unseren festen Wunsch zur Gottesrealisation, die Anstrengungen durch die täglichen Übungen und schließlich auch die Gnade, daß Gott uns entgegen kommt. Ich kann hier nur jeden ermuntern, so oder in ähnlicher Weise noch heute zu beginnen, die Samen zu setzen und dem Wachstum mit Geduld und Zuversicht wachsam und offen gegenüber zu sein, damit nach einiger Zeit die fühlbaren und erkennbaren Früchte zur Ernte reifen.