Beten
Was ist Beten? Fangen wir damit an, was Beten nicht ist :
(ich zitiere die amerikanische Schriftstellerin Sophy Burnham aus ihrem Buch „Der Weg des Gebetes“)
1. Beten ist kein Lippenbekenntnis, kein Aufsagen von Auswendiggelerntem. „Worte ohne Sinn können nicht zum Himmel fliegen“.
2. Beten ist mit Stolz unvereinbar. Es ist keine Zurschaustellung von Frömmigkeit. Die richtige Einstellung zum Beten beinhaltet Demut, Verwundbarkeit und das Sich-Ausliefern in die Arme von etwas, was Du nicht begreifen kannst. Das ist der Grund, warum wir meistens erst in tiefem Leid beten können.
Was ist also Beten ?
Wie Sophy Burnham sagt, einfach ein Sehnen unseres Herzens. Im Gebet manifestiert sich der unwiderstehliche Drang unserer Menschennatur, mit der Quelle der Liebe, mit der Energie des Universums Kontakt aufzunehmen und zu kommunizieren.
Beten ist Kommunikation mit unserem erhabensten spirituellen Teil, mit dem höchsten Zustand der Liebe und des Geliebtwerden, mit der höchsten Weisheit, Wahrheit und Schönheit.
Gebet ist die Hinwendung, die Hingabe an Gott, die höchste Instanz, die alles Leben bewirkt und durchdringt. Wir wenden uns an die Quelle allen Seins, die ewige Sonne des „Alles-Was-Ist“, die wir in vielfältigen Manifestationen verehren können und die wir über diese Strahlen mit unseren Gebeten erreichen können. Es gibt Marien-Verehrung, Christus-Nachfolge, Heiligen-Andacht usw. Jede Tradition und Kultur hat die göttlichen Bilder, Manifestationen, Heilssymbole, über die wir unsere Sinne verankern können, um uns dem Höchsten Herrn im Gebet zu nähern und mit IHM in Kommunikation zu gehen. Dabei jubelt das Herz dem Schöpfer und der Schöpfung zu, lobt und preist das Sein in allen seinen Facetten und bedankt sich für alle Geschenke, die jeden Tag aufs Neue gewährt werden.
Der hlg. Augustinus sagt: “Wahres, volles Beten ist nichts als reine Liebe.“
Stell Dir vor, daß es eine große Rohrleitung zwischen Dir und der unsichtbaren spirituellen Quelle gibt und dass sie, wenn sie unbenutzt bleibt, von Schlamm und Schlick verstopft wird. Kein Wasser (Strom der göttlichen Gnade!) kann mehr durchfließen. Durch das Gebet halten wir den Kanal sauber. Tag für Tag.
Sri Bhagavan, mein geliebter indischer Meister und Lehrer, sagte einmal:
„Das Mass Deiner Liebe und Hingabe an das Göttliche entscheidet darüber, wieviel von IHM für Dich getan werden kann“.
Hierin erkennen wir eines der Hermetischen Gesetze, das Resonanzprinzip (Wie man in den Wald hineinruft,…)
Wer heute betet, wird gerne belächelt. Und besonders, wenn man es öffentlich und für jeden sichtbar tut. Mir ist einmal auf dem Flug nach Indien etwas Merkwürdiges passiert, während ich mein Essen gesegnet habe. Dies tue ich mit geschlossenen Augen und indem ich meine Hände über die Speisen halte. Aus den Handchakren fließt die göttliche Energie in die Nahrung, nimmt falsche oder schädliche Informationen heraus und neutralisiert sie und harmonisiert die natürlichen und gesunden Schwingungen. Außerdem fokussiert sich durch das Gebet, in welchem auch für die (keineswegs selbstverständliche) Speise Gott gedankt wird, unser Bewusstsein auf die Gnade und die Fülle, die wir durch gutes Essen empfangen dürfen. Also, auf diesem Flug tritt nun während meines Gebetes die Chefstewardess heran, schaut mir zu und fragt mich: „Wärmen Sie sich die Hände?“ – Als ich ihr sagte, daß ich mein Essen segne und mich dafür beim Herrn bedanke, lief sie puterrot an, entschuldigte sich mehrmals und es war ihr anzumerken, daß sie sich extrem schämte. Während des Fluges kam sie wiederholt, um sich zu entschuldigen, so peinlich war es ihr.
Vielen Menschen ist das monotone Aufsagen von Gebeten zuwider. Sie sind oft von denen, die viel gebetet und fromme Bibelsprüche zitiert haben, enttäuscht über die Diskrepanz zwischen der gezeigten Frömmigkeit und den offensichtlich im Alltag nicht gelebten oder sogar mißachteten Kerninhalten des Glaubens. Manche Menschen sind regelrecht traumatisiert, z.B. von Eltern, Lehrern oder Priestern, die zum Beten und zum Kirchgang aufforderten, selbst aber eigenen Frust, Wut und Lieblosigkeit mit verbalen, körperlichen oder seelischen Entgleisungen an den Kindern ausließen. Diese „Vor-bilder“ stehen dann ein Leben lang sehr hinderlich „vor dem Bild“, welches wir doch von einem liebenden Gott haben könnten. Das sind schlimme Erfahrungen, die der sanften Heilung bedürfen, welche oft nur durch die göttliche Gnade erfolgen kann.
Andererseits wird bei furchterregenden Ereignissen wie z.B. Terroranschlägen in den sozialen Netzwerken häufig zum Gebet aufgerufen. „Pray for Paris“ war eine oft wiederholte Aufforderung nach den Terroranschlägen in Paris 2015. Genau dazu hat sich der Dalai Lama kurz darauf wie folgt geäußert:
„Wir können das Problem nicht nur durch beten lösen. Ich bin Buddhist, ich glaube ans Beten. Aber die Menschen haben das Problem kreiert und nun bitten wir Gott, es zu lösen. Das ist unlogisch. Gott würde sagen, löst es selbst, weil ihr es selbst erschaffen habt.“
Obwohl Beten von Bitten abgeleitet ist, erscheint es mir sinnvoll, den Schwerpunkt auf die Dankbarkeit zu legen. Wenn man sich täglich im Gebet für die vielen wunderbaren Geschenke des Lebens bedankt, dann werden die Wünsche immer weniger und somit auch die Bitten, die wir an Gott stellen.
„Bete wie ein Liebender, nicht wie ein Bettler!“ (Osho)
Ich bezeichne Gebet gerne als Seelen-Yoga. Es sollte keine Pflicht für uns sein, sondern eine natürliche Seelen-Hygiene, ebenso wie der Körper gepflegt wird, so will auch die Seele täglich gepflegt werden. Gebet als Gabe, als Hin-Gabe an das Göttliche, wird zur täglichen Freude.
Wir können aus vielerlei Anlässen beten, aber im täglichen Ritual des Gebets steht sicher zunächst der Dank im Vordergrund. Danke sagen z.B. morgens, für das Essen, für die Gesundheit, für den Wohlstand usw.
Daneben gibt es den Lobpreis, ver-herrlichen, frohlocken, Halleluja: lobet den Herrn !
Es gibt die Zwiesprache/Beratung: Dein Hausaltar oder Heiliges Bild wird zum Sorgentelefon, wo Dein bester Freund, Vertraute/r, Vater oder Mutter – je nachdem in welcher Beziehung Du zu Deinem persönlichen Gott stehst, Dir zuhört und Dir damit Kraft und Segen spendet
Auch die Bitte für mich im Allgemeinen oder für ein spezielles Anliegen (z.B. eine tiefere Liebe zum Göttlichen, um das Erwachen, usw.)
Und schließlich die Für-bitte für Andere (aber Vorsicht, immer nur um das „unter Berücksichtigung aller Umstände Beste für ihn/sie“ bitten, keine konkreten Wünsche äußern!) z.B. bei Kranken oder Sterbenden. Wir dürfen nicht Schicksal spielen wollen, wir wissen nicht, was für den anderen das Beste ist.
Eine andere, aber auch sehr schöne Anleitung zum Beten habe ich hier gefunden:
Ein Gebet an jedem Finger
1. Der Daumen ist dir am nächsten. So fange damit an für die zu beten, die dir am nächsten sind. Es sind die Personen an die du dich am leichtesten erinnerst. Für unsere Lieben zu beten ist „eine süße Pflicht“.
2. Der nächste Finger ist der Zeigefinger. Bete für die die lehren, anweisen und heilen. Das beinhaltet die Meister, die Lehrer, die Ärzte und die Priester. Diese brauchen Unterstützung und Weisheit um den anderen die richtige Richtung zu weisen. Habe sie immer gegenwärtig in deinen Gebeten.
3. Der nächste Finger ist der größte. Er erinnert uns an unsere Führer. Bete für den Präsidenten, die Kongressabgeordneten, für die Unternehmer und die Geschäftsführer. Diese Personen weisen das Schicksal unserer Heimat und leiten die öffentliche Meinung. Sie brauchen die Führung Gottes.
4. Der vierte Finger ist der Ringfinger. Auch wenn es viele überrascht, das ist unser schwächster Finger, wie dir jeder beliebige Klavierlehrer sagen wird. Das muss uns daran erinnern für die Schwächsten zu beten, mit vielen Problemen oder durch Krankheiten niedergedrückt. Sie brauchen dein Gebet Tag und Nacht. Es ist niemals zu viel, was du für sie betest. Auch muss es uns einladen, für die Ehen zu beten.
5. Und zum Schluss ist da unser kleiner Finger, der kleinste von allen Fingern, der ist wie wir uns vor Gott und vor den Anderen sehen müssen. Wie die Bibel sagt „die Letzen werden die ersten sein“. Dein kleiner Finger muss dich erinnern, für dich zu beten. Wenn du schon für die ersten vier Gruppen gebetet hast, siehst du deine eigenen Bedürfnisse in der richtigen Perspektive und kannst so besser für die deinen beten.
Jorge Mario Bergoglio (besser bekannt als „Papst Franziskus“)